Das Sammeln von Gegenwart: Ashley Bickerton und der Haik der Feija
Blickwechsel: Schenkung Sammlung Hoffmann / GRASSI Museum für Völkerkunde zu Leipzig
16 Behälter sind mit Dingen gefüllt, deren Zusammenstellung willkürlich wirkt: Pfeffer, Filmschnipsel, Erdnussflips, Haare, Zigarettenstummel, Flechtenundvielesmehr. Mit diesen Funden, deren Behältnisse – verrostete Bullaugen – selbst wie Treibgut einer verlorenen Schiffsladung anmuten, umreißt Ashley Bickerton (1959–2022) das Jahr 1989. Der Begriff „Terra Firma“– ebenfalls Teil des Titels – kann als „fester Grund“ übersetzt werden. Konkret bezeichneter ein spezifisches Ökosystem des südamerikanischen Regenwaldes. Entsprechend könnte es sich hier um Fundstücke aus der tropischen Natur handeln. Während Flechten, Korallen und Gestein diese Vermutung nahelegen, verwundern die Materialien unserer scheinbar allgegenwärtigen Konsumkultur. Doch für Bickerton ist dieses Zusammentreffen bezeichnend. Immer wieder widmen sich seine Kunstwerke dem ausbeuterischen Umgang des Menschen mit der Natur, der Entfernung des Menschen von der Natur, den Spuren, die er in ihr hinterlässt.
- Exhibition Site GRASSI Museum Leipzig
-
Opening Hours
daily
10—18, Montag closed
- Admission Fees Eintritt free
Das Werk lässt unklar
Das Werk lässt unklar, ob die massiven Stahlkapseln die Materialsammlung des Künstlers vor den Einflüssen der Umgebung schützen, oder umgekehrt. Im Museumsraum lenkt das Werk, aus seinen skurrilen Materialien bestehend, den Blick aber auch auf unsere eigene Arbeit: Wir sammeln, bewerten und bewahren Dinge, die nach bestimmten Kriterien ausgewählt werden, andere nicht. Die Objekte werden vor dem Verschwinden bewahrt, zugleich aber auch dem Leben entzogen. So entscheidet sich das Museum mit jedem Objekt gegen viele andere, die möglicherweise verloren gehen und mitsamt ihren kulturellen Kontexten in Vergessenheit geraten.
Das im „Blickwechsel“
Das im „Blickwechsel“ zum Werk Ashley Bickertons gehängte Tuch (Haik) wurde zwischen 1940 und 1960 von einer Frau der Gemeinschaft der Feija in Afouzar in Marokko gefertigt. Der Haik wurde bereits in diesen Jahren in der Hennatechnik mit einigen Schutzzeichen bemalt. Das Wissen um die Bedeutung dieser Zeichen besaß nur die Herstellerin selbst. Jahrzehnte später – auf einer Reise der Schenkerin im Jahr 2019 – wurde der Haik von Frauen und Mädchen derselben Gemeinschaft nachträglich um Symbole erweitert. So breitet sich vor uns auf dem großformatigen Wickeltuch eine Landschaft geometrischer Formen, floraler wie architektonischer Motive aus. Die natürlichen Motive wie Palmenbäume, ein Dromedar und Tausendfüßler sowie Vögel und Blüten werden durch technisierte Motive wie ein Auto und ein Bus in die Gegenwart geführt. Im Museumsraum wird dieser Haik als Zeichen-und Bedeutungsträger zum Zeugnis und Sammlungsobjekt und stellt mit der Gegenwärtigkeit seiner Symbole die Frage danach, was im Heute und in einem Museum als schützenswert gilt und damit Eingang in die Sammlung findet.
impressionen
Die Schenkung Sammlung Hoffmann
Die Schenkung Sammlung Hoffmann lässt zeitgenössische Werke mit den Objekten der unterschiedlichen Museen der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden in einen Dialog treten, um in der Gegenüberstellung für beide Exponate neue Betrachtungsweisen und Bedeutungsebenen zu öffnen.
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