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Interview / Clara Wieck / Antje Akkermann
Deine Videoarbeit besteht zu einem Großteil aus Ansichten des Museums, wobei du mit relativ abstrakten Bildern arbeitest. Wie kam es zu dieser Entscheidung?
Ich hatte mir ursprünglich die Frage gestellt, ob und welche Art der Muse mit dem Völkerkundemuseum in Verbindung steht. Denn etymologisch kommt das Wort Museum vom griechischen mouseíon, dem Musentempel. Wo also begegnet man dieser Muse – und die Muse meint hier eine Form der Inspiration oder Offenbarung – während eines Museumsbesuchs?
Ich wollte mich mit Sammlung und Präsentation des Museums auseinandersetzen und habe die Dauerausstellung mehr oder weniger komplett abfotografiert; wobei ich ein Modell eines Museumsbesuchers vor verschiedenen Vitrinen positioniert habe, in denen Figurinen ausgestellt sind. Es entstanden Bilder vom modellhaften „weißen Mann“ und von ihm durch Glasscheiben getrennten Objekten und Figurinen. Die Nachstellung eines Museumsbesuchs.
Diese Bilder habe ich eine ganze Weile sortiert und geordnet. Immer wieder habe ich mich jedoch auch dabei wiedergefunden, wie ich durch verschiedene YouTube Channels gesurft bin, um mir Videos von der umkämpften bzw. offenen EU Außengrenze anzusehen. Mehr als die Muse oder in weiterer Konsequenz hat mich letztlich wohl die Frage nach der Möglichkeit und Dringlichkeit der Dekonstruktion vormals konstruierter Grenzen interessiert – in der Welt des Museums in Form der Dualität von betrachtendem Subjekt und ausgestelltem Objekt sowie in der weiteren Welt außerhalb des Museums. Die Entscheidung für eine relativ abstrakte Darstellungsweise resultiert aus dem Gefühl, selbst keine vollständig klaren Antworten auf diese Frage zu haben, aber die Frage – in einem generelleren und auch vom Museum losgelösten Kontext – stellen zu wollen.
In dem Video kehrt eine Szene wieder, in der eine Frau durchs Bild rennt. Was hat es damit auf sich?
Das Bewegtbild zeigt eine Frau. Im Gegensatz zu den Figurinen ist sie lebendig und steht nicht hinter Glas, sondern rennt durch eine Grenzzone. In der Entscheidung für dieses Bild drückt sich mein Wunsch aus, (kulturelle) Grenzen nicht als Linien zu begreifen, sondern als bewegte Zonen, in denen das (vermeintlich) Eigene und Vertraute und (vermeintlich) Fremde am Schwirren ist und zur Reflexion des eigenen Standorts herausfordert. Diese Herausforderung und Einladung zur Selbstspiegelung ist letztlich das, was ich persönlich als eine Art „Musenkuss“ bezeichnen würde, um hier nochmals den Bogen zu meiner Ausgangsfrage zurückzuschlagen.