(un)geschmückt - Piercing

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Das Durchbohren der Haut mit Scheiben und Pflöcken aus unterschiedlichen Materialien war und ist gängige Praxis in vielen Teilen der Welt: Bei den Moche in Peru markieren Pflöcke in den Ohren den sozialen Status; die Angehörigen der Makonde in Mosambik und Tansania tragen Lippen- und Ohrteller als Schmuck; und mit Zungenpiercings bringen die mexikanischen Maya ihre Opferbereitschaft gegenüber den Göttern zum Ausdruck. Gesichts- und Körperschmuck wird nicht nur als Zeichen für die Zugehörigkeit zu einer Gruppe oder Gemeinschaft, von Geschlecht, Alter und sozialem Status getragen, sondern dient auch der Verwandlung. So behauptete der Ethnologe Claude Levi-Strauss, Piercings würden genutzt, um den Gegensatz zwischen Leben und Tod durch harte und dauerhafte Substanzen wie Metall oder Holz zu überwinden. Das Tragen von Schmuckstücken wird demnach als Lebensspender betrachtet.

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© Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Foto: Mo Zaboli

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Im europäischen Raum ist der Ohrring ein Piercing, das als solches oftmals gar nicht mehr wahrgenommen wird. Das gilt insbesondere für den Frauenohrring, der seit Jahrhunderten als gesellschaftlich etabliert gilt. Der Männerohrring hingegen erfuhr in Europa unterschiedliche Anerkennung: Mit Stolz trug ihn der bayerische König Maximilian I. Joseph (1756–1825); im Nationalsozialismus galt er als „undeutsch“; und bei bestimmten Berufsgruppen war er als Erkennungsmerkmal verbreitet (z.B. der Appenzeller Sennenohrring der Zimmermänner). Wie das Tattoo wurden auch Piercings in Europa wiederentdeckt. Zunächst in Subkulturen wie dem Punk und der schwul-lesbischen Szene üblich, wurden sie in den 1990er-Jahren massentauglich. Bauchnabelstecker und Augenbrauenring kamen in Mode, wie heute Plug-ins viele gedehnte Ohrläppchen zieren.

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