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    Durch graphische Bebilderungen der Expeditionsberichte, wie jenen von  Krusensterns Reisebegleiter, dem Naturforscher und Arzt Tilesius von  Tilenau (1769–1857), erhielten Europäer eine visuelle Vorstellung von  den Tätowierungen. Im Blick auf das Schönheitsideal der klassischen  Antike stellten die Zeichner die Tätowierten als unverdorbene  Naturmenschen in paradiesischen Landschaften dar. Dieses Bild des „Edlen  Wilden“ prägte die romantisch verklärende Vorstellung des Pazifiks vom  17. bis zum 19. Jahrhundert und befeuerte die Fantasien und Sehnsüchte  der Europäer. Was folgte, war die (oftmals erzwungene) Präsentation  zahlreicher pazifischer Bewohner als exotisches Spektakel auf  Völkerschauen und in Salons vor europäischem Publikum. Dabei erregten  Tätowierungen spezielle Aufmerksamkeit und inspirierten durch ihre  Motive die Tattookunst in Europa.
In den Völkerkundemuseen wurden die zahlreichen materiellen Objekte  der Bewohner des Pazifikraums in einem ähnlichen romantisierenden  Kontext gezeigt. So veranschaulichen die beiden Ölgemälde von Bruno  Geisler (1857–1945) und Hans Jäger (1887–1955), die in der Ausstellung  zu sehen sind und von 1911 bis zum Zweiten Weltkrieg im Museum für  Völkerkunde Dresden ausgestellt wurden, eher die „Lebensumstände“ als  Wunschbilder der „Südsee“. Die Gemälde basieren auf den ebenfalls hier  gezeigten Fotografien, deren dargestellte Szenerien weitaus nüchterner  erscheinen.
In die Anfangsphase des 20. Jahrhunderts fällt auch der Aufenthalt  des Leipziger Landmessers Julius Henninger im Dienste der  Kolonialregierung in der Kolonie „Deutsch-Samoa“, der 1916 eine  lebensgroße und hier ausgestellte Tuschezeichnung eines pe’a (Tätowierung  der samoanischen Männer) anfertigte. Die Auseinandersetzung mit  Tätowierungen ging so weit, dass sich deutsche Kolonialbeamte, wie  selbst der Gouverneur Erich Schultz-Ewerth (1912–1914), auf Samoa  tätowieren ließen, um durch eine derartige Aneignung samoanischer  Praktiken kolonialstrategische Ziele zu erreichen gesuchten.