Zu wem hast du gehört?

Das Museum bewahrt nicht nur Alltagsobjekte, Schmuck, Kleidung oder Mobiliar, sondern auch unzählige sakrale oder geheime Objekte. Diese Objekte schützen uns, helfen Katastrophen zu überwinden, Schmerzen und Ängste zu mindern und Verlust anzunehmen. Sie begleiten unsere Trauer für geliebte Verstorbene und verhindern ihr Vergessen. Vielleicht beeinflussen sie auch unser Schicksal?

Zu wem hast du gehört?

Jedes einzelne Objekt, das hier im Museum bewahrt und gezeigt wird, wurde einst von Menschen aus aller Welt hergestellt. Sie wurden getragen, getanzt, geliebt, gepflegt, verehrt und beschützt. Oft kennen wir nicht ihre HerstellerInnen, noch seltener ihre ersten BesitzerInnen. So sind eigentlich all diese Objekte nur Fragmente von Geschichten, von persönlichen und kollektiven Schicksalen.

Auf vielen Wegen sind diese – zumeist anonymen – Objekte hier ins Museum gelangt. Geschenkt, getauscht, manchmal gekauft, aber oft auch während kolonialer Kriege gewaltvoll geraubt. Das ist die schwierige Geschichte dieser Sammlungen. Es stellt sich die Frage, wie ein Museum mit dieser schmerzhaften Geschichte heute umgeht.

© Mo.Zaboli

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Die Objekte ohne Stimme, die hier gezeigt werden, verbergen in sich die komplexen Weltgeschichten der Vergangenheit.

So hat das Museum nicht nur die Aufgabe, die Objekte so gut wie möglich zu bewahren, sondern insbesondere auch, die mannigfaltigen Geschichten zu erzählen oder von anderen erzählen zu lassen.

die "zeit der anderen"

Lange beruhte die Klassifizierung sogenannter ethnologischer Objekte auf einem evolutionistischen Prinzip: Gelehrte vertraten die Auffassung, jede Kultur stünde auf einer bestimmten menschlichen Entwicklungsstufe, in ihrer eigenen Zeitblase gefangen und dazu verdammt, sich ewig selbst zu reproduzieren. Diese Kulturen seien kaum in der Lage, aus sich selbst herauszutreten, um sich in die Geschichte einzuschreiben, wie der Philosoph Hegel behauptete.

die zeit der anderen

Ethnologische Objekte wurden auf einer Skala der „allgemeinen Menschheitsentwicklung“ eingestuft, wobei die europäische Zivilisation die Endstufe der Skala und somit den Gipfel des Fortschritts darstellte und sich selbst als Vorbild aller Kulturen beschrieb. Das zivilisatorische Eingreifen des Westens sollte „rückständigen“ Gesellschaften ermöglichen, voranzuschreiten. Zeit und Raum, technologischer Fortschritt und menschliche Entwicklung wurden durcheinandergebracht. Ethnologen wurden zu Spezialisten für die „Zeit der Anderen“.

Die sogenannten ethnologischen Objekte, die in den vergangenen 150 Jahren massiv von Museen gesammelt wurden, die Objekte der „Anderen“ aus einer „anderen Zeit“ – wurde ein Platz außerhalb der Geschichte zugewiesen.

Inzwischen ist anerkannt, dass sich alle Kulturen innerhalb der gleichen Zeit bewegen und die Globalisierung fester Bestandteil der menschlichen Natur und nicht ein jüngeres Kapitel ihrer Geschichte ist. Somit geht es heute darum, auf der Grundlage einer gemeinsamen Zeit, die Uhren neu zu stellen, so dass die Zeiger nicht mehr nur um Europa kreisen.

© Jan Tschatschula
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